Übertraining
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Englisch: overreaching, overtraining
Definition
Als Übertraining bezeichnet man in der Sportmedizin eine in Folge von hoher psychischer und physischer Belastung akut auftretende Ermüdung, die ohne eine angemessene Regeneration zu einer chronischen Überlastung und einem Übertrainingssyndrom führt.
Hintergrund
Ein Übertraining entsteht durch das Missverhältnis der Summe aller Belastungen und der aktuellen Erholungsfähigkeit. Auf Grund dessen kann ein Übertraining bei jedem Trainingsstand auftreten und ist unabhängig vom Leistungsstand.
Abgrenzung
Overreaching
Als Overreaching bezeichnet man die Frühphase eines Übertrainings. Ein Overreaching kann bei einer kontrollierten Durchführung zu einem FOR (Funktionales Overreaching; engl. functional overreaching) mit einer anschließenden Regeneration und einem positiven Adaptationsprozess führen. Hierbei zeigen sich kurzfristig auftretende Müdigkeitserscheinungen, die innerhalb kurzer Zeit vollständig reversibel sind und zu einer Leistungssteigerung führen. Gleichzeitig kann es bei unzureichender Regeneration zu einem NFOR (Nicht-funktionales Overreaching; engl. non-functional overreaching) mit einer bereits eingeschränkten Leistungsfähigkeit führen. Hierbei kann in der vorgesehenen Erholungsphase keine vollständige Regeneration erreicht werden und es kommt zu einer Senkung der Leistungsfähigkeit.
Overtraining
Als Overtraining bezeichnet man eine Art des Übertrainings, welche sich ebenfalls durch eine Anhäufung von Trainings- und Wettkampfphasen mit gleichzeitiger mangelnder Regeneration auszeichnet und in Folge dessen zu einem Abbau der Leistungsfähigkeit führt. Dieser Abbau der Leistungsfähigkeit kann symptomatisch oder asymptomatisch ablaufen und bildet sich in der Regel innerhalb mehrerer Wochen zurück. Im Ausnahmefall kann der Regenerationsprozess jedoch auch für mehrere Monate andauern.
Ätiologie
- Zu schnelle Steigerung des Trainingsumfangs oder der - intensität
- Übermäßige Ausführung der technischen Schulung
- Einseitige Ausübung einer Trainingsmethode
- Eine intensive Wettkampfphase ohne ausreichende Erholungsphasen
- Reduzierung der Regenerationsphasen
- Psychischer Leistungsdruck
Superkompensation
Das Prinzip der Superkompensation beschreibt einen Adaptationsprozess im Körper, der in Folge eines Trainings stattfindet. Im Körper besteht ein ständiges Gleichgewicht zwischen anabolen und katabolen Prozessen, welches auch als Homöostase bezeichnet wird. Durch ein Training kommt es nun zu einem Überschuss an katabolen Prozessen, wodurch die Leistungsfähigkeit kurzfristig abgebaut wird. Als Vorbereitung auf ein zukünftiges Training strebt der Metabolismus nun überschießende anabole Prozesse an, die über das Ausgangsniveau der Homöostase hinausgehen. Es findet somit ein positiver Adapatationsprozess statt. Bei einer unzureichenden Regenerationsphase und einem erneuten Training in der katabolen Phase kommt es zu einem progressiven Leistungsabbau mit einem möglichen Overreaching, welches sich über einen längeren Zeitraum in ein Overtraining ausweiten kann.
Arten
Basedowoides (sympathikotones) Übertraining
Hierbei kommt es zu einem Überwiegen von Erregungsprozessen und einer Verstärkung der Antriebsfunktion, die zu einer unausreichenden Erholung des Körpers führen. Die Diagnosenstellung ist auf Grund eines stark symptomatischen Verlaufes einfach.
Addisonoides (parasympathikotones) Übertraining
Hierbei kommt es zu einem Überwiegen von Hemmungsfunktionen und einer allgemeinen körperlichen Schwäche. Es ist keine ausreichende Energiemobilisierung mehr möglich. Die Diagnosenstellung ist auf Grund nicht eindeutiger Symptome mit einem meist schleichendem Beginn schwierig.
Symptomatik
Basedowoides Übertraining | Addisonoides Übertraining |
---|---|
leichte Ermüdbarkeit | leichte Ermüdbarkeit |
Erregung | Hemmung |
Schlaf gestört | Schlaf nicht gestört |
Appetit herabgesetzt | normaler Appetit |
Körpergewichtsabnahme | Körpergewicht unverändert |
Neigung zum Schwitzen, Nachtschweiß, feuchte Hände | Thermoregulation normal |
halonierte Augen, Blässe | - |
Neigung zum Kopfschmerz | klarer Kopf |
Herzklopfen, Herzdruck, Herzstiche | - |
Leichte Tachykardie | Bradykardie |
Grundumsatz gesteigert | Grundumsatz normal |
Körpertemperatur leicht erhöht | Körpertemperatur normal |
ausgeprägter roter Dermographismus | - |
verzögerte Einstellung der Herzfrequenz auf Ruhewerte nach Belastung | schnelle Einstellung des Kreislaufes nach Belastung |
Blutdruck uncharakteristisch | unter und nach Belastung Erhöhung des diastolischen Wertes |
abnorme Hyperpnoe unter Belastung | keine Atemschwierigkeit |
Überempfindlichkeit gegenüber Sinnesreizen | - |
unkoordinierter Bewegungsablauf | Bewegungsablauf eckig |
Reaktionszeit verkürzt, Fehlreaktionen | Reaktionszeit normal |
Tremor | - |
Erholung verzögert | gute Erholungsfähigkeit |
innere Unruhe, Gereiztheit | normale Stimmungslage |
Diagnostik
Autonomes Nervensystem
- Herzfrequenzvariabilität (HRV): In Folge eines erfolgreichen Trainings mit angepassten Erholungsphasen kommt es zu einer vermehrten parasympathischen Modulation. Wenn es nun jedoch durch unzureichende Regeneration ein Overraching einsetzt, bleibt diese Modulation aus und es kommt zu einem sympathisch-paarsympathischen Ungleichgewicht mit einsetzten Stressreaktionen. Als Diagnostik können hierbei zum einen die Ruheherzfrequenz sowie die HRV bestimmt werden. In Folge eines NFOR oder FOR zeigte sich eine erhöhte Neigung zur Ruhetachykardie. Die maximale Herzfrequenz ist meist leicht erniedrigt. In Bezug auf die HRV zeigte sich eine klare Reduzierung, welche in Folge einer sympathischen Dominanz gegenüber dem Parasympathikus entsteht.
Biochemische Parameter
- Laktat: Durch ein Overreaching kommt es zu einer Senkung der submaximalen oder maximalen Blutlaktatkonzentration.
- Harnstoff: In Folge eines vermehrten Proteinabbau zeigte sich eine erhöhte Serumkonzentration von Harnstoff.
Immunologische Parameter
- Glutamine: In Folge einer erhöhten Gluconeogeneserate durch eine ausgeprägte Glucogenspeicherentleerung bei Overreaching kommt es zu einer Senkung des Glutamin, welches ebenfalls mit einer erhöhten immunologischen Anfälligkeit korrelieren kann.
- Zytokine: Unter der Annahme, dass einem Übertraining eine systemische Entzündung zugrundeliegt, wäre ebenfalls eine erhöhte Zytokinkonzentration nachweisbar.
- Vermehrte Infektionen des oberen respiratorischen Traktes: Besonders im Ausdauersportarten, die ein erhöhtes Trainingsvolumen aufweisen, zeigte sich eine erhöhte Anfälligkeit für URTI. Dies kann einerseits auf ein beginnendes Overreaching hinweisen oder dieses in Folge der Trainingspausierung verhindert werden.
- Leukozyten: In Folge eines stark erhöhten Trainingsumfangs mit einem anschließenden Overreaching zeigte sich eine Verringerung der Leukozyten auf bis zu 4,9 bis 4,2x109/L.
Hormonelle Parameter
- Gesamttestosteron: In Folge eines Übertrainings kommt es zu einem Abfall des Gesamttestosteron.
- Cortisol: Bei einem sympathikotonen Übertraining kommt es zu einem leichten Anstieg. Bei einem parasympathikotonen Übertraining kommt es zu einer leichten Abnahme.
- Katecholamine: Als weiterer Marker für ein Übertraining lässt sich die nächtliche Katecholaminausschüttung bestimmen, die bis zu 50% bis 70% erniedrigt sein kann.
Neben dieser Diagnostik zeigte sich eine Relevanz für eine psychologische Diagnostik mittels POMS (Profile of mood state) oder RESTQ (Recovery-Stress Questionnaire for Sport).
Therapie
Eine kausale Therapie für das Übertraining besteht nicht und muss individuell je nach Schweregrad bestimmt werden. Die wichtigste Maßnahmen sind die sportmedizinische Behandlung und eine aktive Regeneration mit einem stark reduzierten Trainingsumfang und -intensität. Ein Training sollte in dieser Zeit nur ohne einen trainingswirksamen Reiz ausgeführt werden. Das basedowoide Übertraining lässt sich meist innerhalb von ein bis zwei Wochen vollständig beheben. Anschließend ist eine progressive Trainingssteigerung notwendig. Das addisonoide Übertraining hingegen lässt sich innerhalb mehrerer Wochen bis Monate therapieren. Im Anschluss sollte das ursprüngliche Belastungsmaximum erst nach sechs Wochen wieder erreicht werden.
Basedowoides Übertraining | Addisonoides Übertraining |
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Prävention
Zur Prävention eines Übertrainings können Fragebögen, wie etwa der Erholung-Belastungs-Fragebogen (EBF) zur Anwendung kommen. Dieser erfasst mit 77 Fragen mögliche Belastungfaktoren der Befragten und kann durch die Auswertung diese präventiv verhindern. Des Weiteren kann somit ein Belastungs-Erholungsverlauf individuell über einen langen Zeitraum erfasst werden.
Literatur
- 1 Handbuch Trainingswissenschaften. K. Hottenrott; I. Seidel. 2017
- 2 Optimales Training. Leistungsphysiologische Trainingslehre unter besonderer Berücksichtigung des Kinder- und Jugendtrainings. 17. Auflage. Jürgen Weineck
- 3 (2006). Übertraining. In: Medizinische Trainingstherapie. Springer, Vienna.
- 4 Sportbiologie. 10. Auflage. Jürgen Weineck
Quellen
- Tomasits, J., Haber, P. (2011). Übertraining. In: Leistungsphysiologie. Springer, Vienna. https://doi.org/10.1007/978-3-7091-0437-8_12
- Faude, O., Urhausen, A. (2019). Sportmedizinische Grundlagen: Überbeanspruchung, Übertraining und Übertrainingssyndrom, Erholung und Erholungsfähigkeit. In: Güllich, A., Krüger, M. (eds) Bewegung, Training, Leistung und Gesundheit. Springer, Berlin, Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-662-53386-4_27-1