Calcitonin
Synonyme: Kalzitonin, Thyreocalcitonin
Englisch: calcitonin
Definition
Calcitonin ist ein Peptidhormon, das hauptsächlich in den C-Zellen der Schilddrüse gebildet wird. Zu geringen Anteilen sind auch der Thymus und die Nebenschilddrüsen an der Calcitoninproduktion beteiligt.
Biochemie
Humanes Calcitonin (hCT) ist ein Polypeptid aus 32 Aminosäuren, das eine Molekülmasse von rund 3,4 kDa hat. Für seine biologische Aktivität ist die intramolekulare Disulfidbrücke zwischen Cys-1 und Cys-7 und ein amidierter C-Terminus (Prolinamid) wichtig. Fehlt die Disulfidbrücke, findet zwar eine Bindung des Moleküls an den Calcitonin-Rezeptor statt, er wird aber nicht aktiviert.
Physiologie
Calcitonin ist der Gegenspieler des in den Nebenschilddrüsen gebildeten Parathormons. Beide Hormone regulieren gemeinsam den Calcium- und Phosphathaushalt des Körpers. Calcitonin senkt den Calciumspiegel im Blut. Die Sekretion von Calcitonin wird stimuliert durch ein hohes Serumcalcium und gastrointestinale Peptide, wie z.B. Pentagastrin.
Wenn Calcitonin freigesetzt wird, wird als Haupteffekt des Hormons die Aktivität der Osteoklasten gehemmt, wodurch weniger Calcium aus der Knochensubstanz freigesetzt wird.
Die Calciumrückresorption in der Niere wird gehemmt, die Calciumausscheidung folglich gesteigert (Kalziurese). Über spezifische Rezeptoren in der Membran des proximalen Tubulus und der Henle-Schleife wird die Rückresorption von Phosphat über den cAMP-Signalweg ebenfalls gehemmt (Phosphaturie). Hier wirkt Calcitonin überraschenderweise teilweise synergistisch mit Parathormon.
Auch die intestinale Resorption von Calcium wird durch Calcitonin gesenkt.
Da beim medullären Schilddrüsenkarzinom vermehrt Calcitonin produziert wird, kann der Calcitoninspiegel als Tumormarker dienen.
Daneben besitzt Calcitonin eine zentralnervöse analgetische Wirkung - vermutlich durch Freisetzung von Endorphinen.
Klinik
Therapeutisch wird Calcitonin bei der Osteoporose eingesetzt. Erhältlich sind Lösungen zur parenteralen Anwendung. In der Vergangenheit waren auch Nasensprays verfügbar, die jedoch wegen eines bis zu 2,4% erhöhten Malignomrisikos vom Markt genommen wurden.
Bei Hypokalzämie darf Calcitonin nicht zur Anwendung kommen. Die häufigsten Nebenwirkungen sind Flush, Übelkeit, Erbrechen und Durchfall, die gelegentlich auftreten. Seit Bisphosphonate zur Therapie der Osteoporose zur Verfügung stehen, wird Calcitonin seltener eingesetzt.
Der Ausschuss für Humanarzneimittel (CHMP) der europäischen Arzneimittelbehörde EMA hat 2012 offiziell die Empfehlung ausgesprochen, calcitoninhaltige Arzneimittel, die beispielsweise zur Behandlung Osteoporose oder tumorbedingter Hyperkalziämie indiziert sind, nur zur kurzfristigen Behandlung zu verabreichen. Hintergrund ist, dass eine Langzeit-Anwendung dieser Arzneimittel mit einem erhöhten Krebsrisiko in Verbindung steht.
Labormedizin
Indikationen der labormedizinischen Bestimmung von Calcitonin sind:
- Abklärung szintigraphisch kalter Knoten der Schilddrüse
- therapierefraktäre Durchfälle
- unklare CEA-Erhöhungen (C-Zell-Karzinom)
- postoperative Kontrolle und Rezidivkontrolle nach Schilddrüsen- und Nebenschilddrüsenchirurgie.
- Familienscreening (MEN-Syndrom)
Material
Für die Untersuchung werden 2 ml Serum benötigt.
Calcitonin ist instabil. Blutproben müssen in gekühlten Röhrchen abgenommen und sofort ins Labor gebracht werden. Die Haltbarkeit bei Raumtemperatur (nach Zentrifugation) liegt ungefähr bei vier Stunden, gekühlt bei einem Tag.
Referenzbereich
- Männer bis 11,5 pg/ml
- Frauen bis 4,6 pg/ml
Ein unterer Grenzwert wird nicht angegeben, da Calcitonin auch bei Gesunden unterhalb der Nachweisgrenze der derzeit verfügbaren Tests liegen kann.
Interpretation
Erhöhte Calcitonin-Werte findet man u.a. bei folgenden Erkrankungen:
- medulläres Schilddrüsenkarzinom (Tumormarker)
- bei 50 % der Patienten liegt gleichzeitig ein Phäochromozytom vor (Sipple-Syndrom)
- bei 20-30 % der Patienten liegt gleichzeitig ein Hyperparathyreoidismus vor
- C-Zell-Hyperplasie
- Niereninsuffizienz
- Leberzirrhose
- Hypergastrinämie
- Neuroendokrine Neoplasien (NEN)
- Multiple endokrine Neoplasien (MEN-Syndrom)
- Hyperthyreose (selten)
Erweiterte Diagnostik
Die Calcitonin-Sekretion kann mit Hilfe des Calcium-Stimulationstests überprüft werden.
Bei grenzwertigen Befunden kann ein Pentagastrin-Test durchgeführt werden. Pentagastrin stimuliert die Calcitonin-Sekretion. Bei Patienten mit medullärem Schilddrüsenkarzinom oder C-Zell-Hyperplasie steigt das Calcitonin stärker an als beim Gesunden.
Besteht der Verdacht auf das Vorliegen eines MEN-Syndroms, sollte eine molekulargenetische Abklärung erfolgen.
Veterinärmedizin
Der antagonistische Effekt von Calcitonin tritt bei Säugetieren in der Regel erst bei unphysiologisch hohen Dosen ein. Die vollständige Abwesenheit von Calcitonin (z.B. nach totaler chirurgischer Schilddrüsenentfernung oder bei Knockout-Mäusen) oder auch die massive Überproduktion (z.B. bei C-Zell-Karzinomen) führt zu keiner wesentlichen Störung der Calciumhomöostase. Die physiologische Rolle von Calcitonin muss deshalb in der Veterinärphysiologie als nicht befriedigend geklärt bezeichnet werden (2021).
Literatur
- Laborlexikon.de; abgerufen am 15.02.2021