Angeborene Glykosylierungsstörung
Synonym: Kongenitale Glykosylierungsstörung, CDG
Englisch: congenital disorder of glycosylation
Definition
Angeborene Glykosylierungsstörungen sind eine Gruppe genetischer Erkrankungen, die durch Störungen in der Anheftung bzw. im Aufbau von Kohlenhydratseitenketten an Proteine verursacht werden. Sie zählen zu den wenigen Stoffwechselstörungen, die morphologische Auffälligkeiten bei Neugeborenen verursachen können.
Epidemiologie
Es handelt sich um eine Gruppe äußerst seltener Erkrankungen. Prävalenzdaten sind für keine der Unterformen verfügbar. Für viele Formen existiert nur eine oder wenige Fallbeschreibungen.
Biochemie
Erst durch die sog. posttranslationelle Modifizierung erhalten ein großer Teil der Proteine ihre vollständige Funktionsfähigkeit. Treten hier also Störungen von Enzymen bzw. Proteinen auf, die für die Anheftung bzw. den Aufbau von Kohlenhydratseitenketten notwendig sind, entstehen Krankheiten, die zur Gruppe der congential disorders of glycosylation (CDG) zusammengefasst werden. Unter biochemischen Aspekten unterteilt man:
- Störungen der N-Glykosylierung an ein Stickstoffatom (meist von Asparagin oder Arginin), hierzu zählt auch die häufigste Form der CDG (PMM2-CDG)
- Störungen der O-Glykosylierung (an die OH-Gruppe von Aminosäuren), z.B. das Walker-Warburg-Syndrom
- Störungen der GPI-Anker-Synthese
- Störungen der Lipidglykosylierung
- andere Glykosylierungsstörungen (z.B intrazelluläre Transportstörungen, Monosaccharidsynthese- und -umwandlungsstörungen)
Genetik und Erkrankungen
Die einzelnen Erkrankungen, die den CDG zugerechnet werden, werden nach ihrer genetischen Grundlage benannt. Insgesamt wurden 163 verschiedene Gendefekte und 193 Phänotypen beschrieben (Stand 2022), einige der Defekte sind polyphän, sie können sich also in unterschiedlichen Phänotypen äußern. Die meisten Erkrankungen sind autosomal-rezessiv vererbbar.
Einige der CDG sind schwer von bereits in anderem Kontext beschriebenen monogenen Erkrankungen abzugrenzen (z.B. Walker-Warburg-Syndrom, spondylodysplastisches EDS), deren Einordnung in die Gruppe der CDG ist strittig.
Vertreter der CDG sind (Auswahl):[1]
Erkrankung (frühere Bezeichnung) | ursächlicher Defekt | Erbmuster | Kategorie |
---|---|---|---|
PMM2-CDG (CDG Ia, häufigste CDG-Form) | Phosphomannomutase-2-Gen | AR | N-Glykosylierung |
MPI-CDG (CDG Ib) | Phosphomannose-Isomerase-Gen | AR | N-Glykosylierung |
MAN1B1-CDG (CDG II) | Mannosyl-Oligosaccharid 1,2-alpha-Mannosidase | AR | N-Glykosylierung |
POMT1-CDG (Walker-Warburg-Syndrom) | Protein-O-Mannosyltransferase 1 | AR | O-Glykosylierung |
B4GALT7-CDG (spondylodysplastisches EDS) | Galaktosyltransferase I | AR | O-Glykosylierung |
PIGT-CDG | PGI-Transamidasenuntereinheit PIGT | AR | GPI-Anker |
ST3GAL5-CDG (salt and pepper syndrome) | Lactosylceramid-alpha-2,3-sialyltransferase | AR | Lipidglykosylierung |
COG-8-CDG (CDG IIh) | Gen für den Component-of-oligomeric-Golgi-complex 8 | AR | andere Störungen (Golgi-Transport) |
SLC35A2-CDG (CDG IIm) | Solute-Carrier 35A2 | XD | andere Störung (UDP-Galactose-Transport) |
Klinische Merkmale
Entsprechend der großen Vielfalt an verschiedenen Funktionen der Glykoproteine im Organismus, ist auch das Spektrum der CDG-bedingten klinischen Symptome weitreichend. Die Symptome können alle Organsysteme betreffen, sowohl Multisystemerkrankungen als auch Einzelorgan-Manifestationen (seltener) sind möglich.
In den meisten Fällen ist das ZNS betroffen. Oft bestehen deutliche psychomotorische Entwicklungsstörungen, zusammen mit neurologischen Auffälligkeiten. Funktionelle Merkmale wie etwa Gerinnungsstörungen und endokrine oder gastrointestinale Störungen stellen ebenfalls keine Seltenheit dar.
Diagnostik
Als Screeningmethode in der CDG-Diagnostik kann eine Analyse der glykosylierten Isoformen des Transferrins im Serum erfolgen. Transferrin ist an zwei Stellen N-Glykosyliert, Defekte dieser Glykosylierung finden sich häufig, aber nicht immer, bei N-Glykosylierungs-CDG. Bei Kindern mit ungeklärter Multisystemerkrankung und morphologischen Auffälligkeiten sollte die Untersuchung der Transferrin-Glykoformen im Zuge des einfachen und kostengünstigen Screeningtests veranlasst werden.
Ansonsten kann eine molekulargenetische Untersuchung (z.B. Exomsequenzierung) der Diagnosestellung dienen.[2]
Therapie
In der Regel erfolgt die Therapie symptomatisch. Ausnahme stellt hier die MPI-CDG (vormals CDG Ib) dar, das sich durch die orale Gabe von Mannose behandeln lässt.
Literatur
- Schaaf und Zschocke. Basiswissen Humangenetik. Kapitel 24.4.4 Angeborene Glykosylierungsstörungen, S. 325f.. 3. Auflage. Springer Verlag. 2018.
- Francisco et al., Congenital disorders of glycosylation (CDG): state of the art in 2022. Orphanet Journal of Rare Diseases, 2023.
Einzelnachweise
- ↑ Francisco et al., Congenital disorders of glycosylation (CDG): state of the art in 2022. Orphanet Journal of Rare Diseases, 2023. Zusatzmaterial (Excel-Tabelle).
- ↑ Ng, Freeze. Perspectives on Glycosylation and Its Congenital Disorders. Trends in Genetics, 2018.